Auf manchen Friedhöfen gibt es sie: zusätzlich zur anonymen Bestattung auch die unbekannte Bestattung!
Ich habe von diesem kleinen, feinen Unterschied auch lange nichts gewusst.
Bis Frau R. in den Trostmoment kommt. Ich hatte sie schon eine gute halbe Stunde vorher an der Feierhalle vorbeigehen sehen. Sie erzählt von ihrem verstorbenen Lebensgefährten, von der großen, kurzen Liebe, die diesen beiden nicht mehr ganz jungen Menschen geschenkt war. Sie weint und ich frage, ob sie gerade von einem Grabbesuch kommt. Das Weinen wird heftiger : „Das ist es ja gerade“, sagt sie, „es gibt kein Grab. Ich irre hier so auf dem Friedhof herum“. In mir werden die Bilder der anonymen Wiese und des gemeinschaftlichen Urnenhains wach. Auch wenn es weder ein Grab gibt, noch die Beisetzungsstelle bekannt ist, beide Bestattungsformen haben Gedenkplätze, wo man innehalten, sich hinsetzen, ein Blümchen ablegen kann. Ich frage nach: „Aber irgendwo auf der anonymen Wiese oder im Urnenhain, da können Sie sich doch einen Platz suchen für Ihre Trauer“. „Nein“ sagt sie „er ist nicht anonym bestattet, sondern unbekannt“. Ich bin irritiert, davon hatte ich noch nie gehört. Nach einem heftigen Schluchzer erzählt sie weiter: „Wir waren ja nicht verheiratet. Und da war ich nicht berechtigt, die Bestattung zu organisieren. Bestattungspflichtig war der Vater, mit dem er seit 40 Jahren zerstritten war. Er hatte keinen Kontakt zum Vater und ich auch nicht. Ich weiß nicht mal, ob der Vater weiß, dass es mich gibt. Vielleicht hätte er mich dann in die Bestattungsplanung mit einbezogen?“ Doch so hat der Vater die unbekannte Bestattung veranlasst. Ohne Feier, ohne Abschiedsritual. Deshalb läuft sie auf dem ganzen Friedhof umher: der Liebste könnte ja überall liegen. Ich werde traurig: meine Güte, was für ein Scherbenhaufen! So viel zerbrochenes Leben, so viel Nebeneinander und Beziehungslosigkeit, so viel Aggressivität bis über den Tod hinaus!
Und so wichtig das gemeinsame Gebet vor Gott, das Totengedenken und die Namensnennung vor Gott wie es im Trostmoment geschieht. Ihr Liebster hat seinen Platz im Lebensbuch Gottes. Symbolisch schreibt sie seinen Namen in das von mir bereitgehaltene Lebensbuch. Alles das tut gut.
Am nächsten Tag muss ich mich erstmal in der Friedhofsverwaltung erkundigen: was ist eine unbekannte Bestattung? Das ist die preiswerteste Form, bei der die Urne irgendwo auf dem Friedhof beigesetzt wird. Keiner weiß wo. Es gibt kein bestimmtes Grabfeld. Es kann überall sein. „Kein Ort nirgends“