Trauerkultur im Streit

Die Trauerfeier ist abgesagt. Ich ärgere mich, hatte ich doch schon angefangen, mich vorzubereiten.
Die Frau vom Bestattungsinstitut hatte von Anfang an gesagt, es sei „eine Sozialbestattung in schwieriger Familie“. Da sie um ihr Geld bangte, hatte sie Vorkasse verlangt und dadurch den Druck auf die Familie erhöht. Und nun informiert sie mich: es gab Streit unter Nichten und Kindern und keiner will bezahlen! Ergebnis: die Trauerfeier ist abgesagt!
Ich bin traurig: der Verstorbene hatte noch seine Mutter und die ist untröstlich und sieht ihren Sohn schon irgendwo unwürdig verscharrt! Zur Trauer kommt die Angst. Ich kläre auf: über die Bestattungen von Amts wegen mit und ohne Begleitung auf dem Öjendorfer Friedhof. Ich erzähle von den Kolleginnen und Kollegen aus der Evangelisch-Lutherischen und Römisch-Katholischen Kirche, die für Würde, Gebet und Segen sorgen. Keiner wird verscharrt.
Jedes Leben wird wert geschätzt als Geschöpf Gottes.
Die Mutter am Telefon wird ruhiger, die Tränen versiegen, wir bleiben im Gespräch, das verspreche ich ihr.
2 Wochen später ein Anruf von einer ehemaligen Lebensgefährtin: ob ich mitgehen würde zum Grab? Eine Trauerfeier gäbe es nicht, aber eine Bestattung von Amts wegen mit Begleitung. Kinder, ehemalige Lebensgefährtinnen und natürlich die Mutter würden mitgehen wollen. Ich natürlich auch.
Der Verstorbene hatte sich soooo sehr gewünscht mal mit allen seinen 4 Kindern (aus 3 Verbindungen) etwas zu unternehmen, essen zu gehen oder so. Nie ist es dazu gekommen. Immer hat irgendein Streit das Miteinander verhindert.
Ob nun an seinem Grab alle seine Kinder vereint da sein werden? Wir warten über die Zeit hinaus, doch dann ist klar: 2 Kinder sind nicht gekommen. Alle sehnen sich nach Versöhnung, nach Neuanfang, doch alte Verletzungen wiegen schwer. Nicht nur der Tod ist traurig, auch das Leben davor. Es hört nicht auf seinen Schatten zu werfen und ich spüre meine Sehnsucht nach diesem Gott, der verspricht: „Alles was früher war, ist vergangen: keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn seht: ich mache alles neu!“

Kommentare zum Beitrag

Stefan Stapel
am 18. November 2019 um 19:31 Uhr

Liebe Frau Pastorin Erler,
liebe Leserinnen und Leser,

beim Trostmoment im November 2019 in der Feierhalle Nord habe ich bemerkt, dass es für mich auch wichtig sein kann, mich von einem Menschen friedlich zu verabschieden, mit dem ich zu Lebzeiten nicht immer im Reinen war.

Eine Andacht mit einer Geistlichen für einen Menschen auch noch Jahre nach seinem Tod zu halten, half mir, die Beziehung zu dem betreffenden Menschen zu klären.

Und ich würde gern noch einmal teilnehmen, weil ich noch einigen anderen verstorbenen Menschen, die ich zu ihren Lebzeiten kannte, mit dem stimmungsvollen Geleit der Frau Pastorin Erler gedenken möchte.

Weil mir der Trostmoment etwas gibt, habe ich gern dafür dann wieder einige Duftkerzen und Teelichter im Gepäck, obwohl Frau Pastorin immer genügend bereitstellt.

Bis zum nächsten Mal, danke und viele freundliche Grüße!

Stefan Stapel

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