Predigt 1.1: Totensonntag

„Also ich denke schon, dass es da irgendwas gibt, nach dem Tod“….das ist ein Satz, den ich oft höre.
„Irgendwie muss doch da noch was kommen?! Dass alles aus ist; kann ich mir auch nicht recht vorstellen.“ Aber was, da kommen könnte, dafür fehlen die Worte…die Bilder…..der Glaube.
Irgendwas…Irgendwie….vage Worte für das Unbeschreibliche, für das, was Paulus „diesen trüben Spiegel“ nennt. Blindes Glas…wabernder Nebel…
Schemenhaftes Dunkel.
Novemberstimmung und diese Gedenktage: Volkstrauertag….Buß-und Bettag …….Totensonntag, das gehört „irgendwie“ zusammen: die Blätter fallen….alles Leben zieht sich zurück in die Wurzeln, wir werden erinnert an den immerwährenden Prozess der Wandlung. Ohne die Ruhephase im Herbst und Winter ist das Knospen des Frühlings, die Fülle des Sommers nicht möglich. Werden und Vergehen gehören zur Schöpfung wie 2 Seiten ein und derselben Medaille.
Die dunkle Zeit jetzt lehrt uns, dass der Tod zum Leben dazugehört. „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden“;
dieses Wort aus dem 90. Psalm ist Wochenspruch für diese Woche.
Nun ist es mit der Verwandlung gut und schön, solange es um die Natur geht, um Wald und Garten. Verwandlung ist allzu schmerzhaft, wenn es um Menschen geht. Um uns selbst. Um geliebte Menschen.
Schwere Abschiede liegen hinter vielen von Ihnen, Kummer und Trauer. Auch der Wunsch festzuhalten, was war. Aber das Leben lässt sich nicht festhalten.
Die Verstorbenen sind ihren Weg gegangen – ohne uns! Sie sind an einen Ort gegangen, zu dem wir keinen Zugang haben.
Und das gehört wohl zum Schmerzvollsten, was wir im Leben durchmachen müssen: dass es diese Trennung gibt…diese Schwelle…diese Endgültigkeit…und wir stehen davor wie vor einer Mauer.
Dazu fällt mir eine Fantasiereise ein, ein Weg, eine Gedankenreise über Wiesen, Wälder, Hügel schließlich zu einer großen Mauer. Unüberwindbar erscheint sie. Und sie erstreckt sich von Horizont zu Horizont. Schließlich eine Tür, ganz verwittert, ohne Klinke. Nur ein Schlüsselloch ist sichtbar.
Und eine kaum lesbare Schrift in alten Buchstaben: hier kannst du sehen, wie es nach dem Tod aussieht.
Im Anschluss an diese Gedankenreise gilt es, ein Bild malen von dem, was man da durch das „Schlüsselloch“ gesehen hat.
Was haben Sie gesehen vor Ihrem inneren Auge?
Was kommt nach dem Tod?
Eine Phantasielandschaft mit Stränden, grünen Wiesen und Wolken? Oder eine große Hand, die alles trägt, die ganze Welt; nach dem Spiritual: He’s got the whole world in his hands? Oder Leere und Nichts? Oder ein Bild von der Hölle mit einem Teufel, der die Menschen quält.
Niemand weiß, wie es nach dem Tod aussieht. Auch all jene Berichte von Nahtoderfahrungen sind ja kein Beweis für das, was nach dem Tod kommt.
Da beschreiben Menschen in oft ähnlicher Weise wie sie sich von ihrem Körper lösen und immer sehen sie ein Licht und fühlen Wärme und Geborgenheit. Beweisen aber tut das nichts. Der Tod ist eine Grenze, an der alles Verstehen und Beweisen Halt macht.
Wir sind es hier in der westlichen Welt gewöhnt, dass wir ziemlich viel beherrschen und verstehen können. Und manchmal wird aus der Freude über die moderne Medizin und Technik so etwas wie ein Glaube daran, dass letztlich alles beherrschbar ist, dass alles regelbar ist.
Dann ist nicht mehr Gottvertrauen Lebensgrundlage, sondern der Glaube daran, dass der Mensch keine Grenze hat.
Im Matthäus Evangelium wird uns eine Geschichte erzählt, in der Jesus ganz deutlich die Grenze des Menschen, des Menschlichen, aufzeigt.
Die Sadduzäer (ein Flügel im Judentum im Gegensatz zum anderen Flügel: den Pharisäern) fragen ihn nach der Auferstehung, nach dem Leben nach dem Tod, an das sie nicht glauben!
Ein bisschen ist die Frage konstruiert: wenn eine Frau nacheinander 7 Männer hat, einer nach dem anderen stirbt, mit wem ist die denn dann zusammen im ewigen Leben? Ein bisschen soll diese Frage bestimmt auch Glatteis sein, zumindest Jesus auf eben dieses führen, damit er sich verrät, damit er irgendetwas liefert, was später gegen ihn verwandt werden kann. Aber er liefert nicht.
Er blickt tiefer: hinter der Frage nach dem Tod steht die Frage nach Gott. Wer ist er für dich? Und hier liefert Jesus die Antwort: „Habt ihr nicht gelesen, was Gott euch in den Heiligen Schriften gesagt hat? Er sagt dort: „Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“

Aha. Eine Antwort, die alles sagt und nichts. Die unser Fragen nach Tod und ewigem Leben, unsere Fragen und die Fragen der Sadduzäer nicht einen Deut weniger drängend macht. Gott ist Gott. Von Anbeginn. Von vor aller Zeit bis in Ewigkeit. Der Gott, der immer schon Gott war. Von Abraham. Von Isaak. Und von Jakob. Die Ewigkeit und die Auferstehung sind Gottes Sphäre. Da stehst du, Mensch, klein und begriffsstutzig davor. Jesus provoziert Demut. Die Mauer bleibt…das Schlüsselloch lädt ein zu fantasieren, aber Wissen tun wir nichts, über das was kommt.
Lass das Gottes Sache sein. Damit ist auch gesagt, dass der Mensch Grenzen hat und nicht alles weiß und nie alles wissen wird. Deshalb:
gib Gott darin die Ehre, dass du bekennst und erkennst: es gibt eine Macht, die größer ist als wir alle und die ich Gott nenne.
Dieser Gott ist ein Gott von Lebenden, d. h. er will jetzt unser Vertrauen, er wirbt um unser Vertrauen jetzt und hier in diesem vergänglichen Leben.
Haltet Euch nicht auf mit Scheinfragen, was denn nach dem Tod kommen wird, sondern sucht nach dem, was euch jetzt tröstet und euch jetzt Halt gibt. Dafür werden die Geschichten von Jesu Auferstehung erzählt, einer Auferstehung ins Leben, damit wir im Leben Gott suchen.
Auch für die Auferstehung gibt es keinen Beweis. Es gibt das leere Grab. Es gibt Zeugenaussagen, die den auferstandenen Jesus gesehen haben wollen. Aber keinen Beweis. Kein Foto oder Tondokument.
Es gibt nur die Einladung zu vertrauen: Gott hat auch nach dem Tod noch etwas vor mit uns, die Beziehung zu ihm hört mit dem Tod nicht auf.
Wie das aussieht? Weiß ich nicht, das überlass ich getrost Gott. Er ist der Herr über Tod und Leben.
Was dann kommt? Vielleicht die falsche Frage, vielleicht besser: wer dann kommt? Darauf kann ich antworten: Gott! Wir sterben in Gott hinein, sind dann nicht mehr für uns selbst, bei uns selbst, sondern bei Gott.
Der Tod ist dann zwar immer noch die Grenze für uns Menschen; für das, was wir wahrnehmen, sehen, schmecken, fühlen können. Aber nicht für unsere Beziehung zu Gott. All die Geschichten von der Auferstehung – für mich rufen sie uns Menschen zu: Habt doch keine Angst!
In alter biblischer Sprache: „Fürchte dich nicht!“
Das ist die Erkennungsmelodie Gottes! Bald singen sie wieder die Engel in der Heiligen Nacht. Das ist nicht so einfach, keine Angst zu haben, aber Angst ist der natürliche Feind von dem Wichtigsten in unserm Leben: Vertrauen.
Gerade wer einen Menschen an den Tod verloren hat, der weiß, wie sehr der Tod das Vertrauen erschüttert. Vertrauen in das Leben allgemein. In den Zusammenhang. Vertrauen dahin, dass letztlich alles gut wird. Wer jemanden verloren hat, den er sehr geliebt hat, der muss erst wieder Fuß fassen im Leben. Langsam, Schritt für Schritt. Und ist in dieser Zeit besonders dünnhäutig und anfällig für die Angst. Die Angst davor, dass auch der Rest des Lebens einfach aus einander fällt.
Wer jemanden verloren hat, mit dem Konflikte auszustehen waren, auch der muss erst einmal wieder Fuß fassen. Alles, was ungeklärt und bitter geblieben ist, kann einem langsam die Seele auffressen. Und auch dann ist man anfällig für die Angst. Die Angst vor neuer Schuld, die Angst, wieder ausgenutzt zu werden, die Angst, wieder nicht gut für sich zu sorgen.
Und es ist auch leicht gesagt: lass dich durch diese Angst nicht beherrschen. Leicht gesagt, und schwer getan. Da zeigt sich für mich, welche Macht der Tod hat. Schon hier und Jetzt. Deshalb sagt Jesus: „Gott ist ein Gott der Lebenden“! Und doch fällt es uns so schwer Gottes Ruf zu hören: Vertraut doch! „Ich bin der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, mir kannst du vertrauen.“
Damit lädt Jesus seine Zuhörerinnen und Zuhörer damals und uns heute ein, sich in die Reihe der Menschen zu stellen, die vor Jahr und Tag schon diesem Gott vertraut haben. Jede und Jeder muss diesen Schritt für sich selbst tun: Vertrauen wagen, und dann sehen, was passiert. Amen

Kommentare zum Beitrag

Stefan Stapel
am 13. November 2019 um 12:58 Uhr

Liebe Frau Pastorin Erler,
liebe Leserinnen und Leser,

der November ist für mich der Totengedenkmonat.

Es gibt den Volkstrauertag, den Totensonntag und im katholischen Glauben Allerheiligen und Allerseelen.

Anfang November 2019 habe ich zum ersten Mal an einer katholischen Gräbersegnung auf dem Friedhof Öjendorf teilgenommen.

Erst gab es einen Gottesdienst in der vollen Feierhalle 3, dann gingen mehrere Pfarrer mit den Teilnehmern (voraus gingen Ministrantinnen und Ministranten) zu Gräbern, die sie mit Weihwasser und Gebeten segneten.

Manche Gäste stellten Grablichter auf die Gräber ihrer Angehörigen und auf das Grab eines katholischen Pfarrers, das auch gesegnet wurde.

Viele Menschen kreuzigten sich (ich versuchte, es nachzumachen, möchte aber noch den genauen Vorgang lernen).

Einem polnischen katholischen Pfarrer „gestand“ ich, dass ich Protestant bin, aber er reichte mir freundlich die Hand.

Das Vater-Unser wurde auch gesprochen, das konnte ich gut mitsprechen.

Aber ein Gebet kannte ich zwar vom Hören, doch nicht den genauen Wortlaut.

Ich fand es aber so bewegend, dass ich es mir aus dem Netz abgeschrieben habe.

Es ist wohl ein zentrales Gebet des katholischen Glaubens, es gibt mir, ähnlich wie der Psalm 23, Kraft in schweren Zeiten:

„Gegrüßet seist du Maria,
voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes,
Jesus.
Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Amen.

Wunderbar, finde ich!

Viele freundliche Grüße!

Stefan Stapel

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