Letzte Wünsche

Ich kenne Frau T. schon eine Weile. Bei der Koffer-Pack Aktion „Einmal Jenseits und zurück – ein Koffer für die letzte Reise“ macht sie dann auch mit (vgl. „Einmal Jenseits und zurück……. Beitrag I und II)
Wochen später erfahre ich, dass ihre Mutter verstorben ist. Ich schick ihr eine Mail mit ein paar Beileidsworten und frage nach dem Namen der Mutter damit ich beim nächsten Trostmoment für die Mutter beten und eine Kerze anzünden kann.
Prompt kommt Frau T. selbst zum nächsten Trostmoment. Sie ist sehr früh, die Erste und bangt: kommen denn noch viele? „Nicht immer“ antworte ich, „es kann auch sein, dass wir allein bleiben“. Dann erzählt Frau T. von der Mutter, den schweren letzten Wochen und dann ihrem Sterben. 2 Dinge machen der Tochter nun den Abschied doppelt schwer:
Erstens: die Mutter wollte verbrannt werden und das findet Frau T. gar nicht gut! „Damit kann ich nichts anfangen“ sagt sie und schüttelt den Kopf. „So ein Abschied im Sarg ist doch viel schöner“ und zweitens hat sich die Mutter soooo sehr gewünscht noch mal nach Amrum zu kommen. Immer haben sie da die Familien-Urlaube verbracht und vor fast einem Jahr den 85. der Mutter gefeiert. In ihrem Lieblingslokal. Und da wollte sie soooo gern noch mal hin.
Hat die Familie ihr am Krankenbett auch versprochen, aber sie ist vorher verstorben. Das erzählt Frau T. zwar mit Bedauern, aber irgendwie hab ich nicht das Gefühl, dass das nicht gehaltene Versprechen ihr furchtbar schwer auf der Seele liegt.
Plötzlich spricht sie leiser, aber recht verschmitzt:
„Wissen sie, Frau Pastorin, nach der Einäscherung sind wir (die ganze Familie, mit Vater, Sohn+Freundin und Ehemann) für ein verlängertes Wochenende nach Amrum gefahren und haben die Urne mitgenommen. In dem Lieblingslokal hatte ich einen Tisch bestellt für 6 Personen. 5 waren wir ja und auf Mutter’s Stuhl stand die Tasche mit der Urne. „Erwarten sie noch jemanden?“, fragte die Bedienung?“ „Nein wir sind alle da“ war die Antwort der Tochter und sie fügt lächelnd hinzu: „das hätten wir mit einem Sarg ja nicht machen können“!
Auch ich muss schmunzeln und sage ihr, dass ich das prima finde, so der Mutter doch noch den letzten Wunsch zu erfüllen und sich selbst mit der Verbrennung auszusöhnen. „Naja“, sagt sie, „ich bin ja sonst nicht für so neumodischen, unkonventionellen Kram, aber das hat sogar meinem Vater gefallen“.
Zur Trauer gesellt sich Freude ob dieser subversiven Handlung, als ob dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen worden wäre.
Wir könnten jetzt beide loskichern, doch wir müssen uns stoppen, denn die Tür geht auf und Menschen strömen herein: der Trostmoment wird voll!
Am nächsten Tag bin ich mit einer Freundin zum Essen verabredet. Sie hatte am Wochenende Geburtstag und als Geschenk hab ich sie in ein Lokal eingeladen, das sie sich ausgesucht hatte. Während wir speisen und klönen, ertappe ich mich dabei, dass mein Blick zu den anderen Tischen wandert: Ist da irgendwo ein Stuhl mit einer Tasche drauf? Da wird doch nicht wohl eine Urne drin sein……?

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