Grabsteine erzählen 1.4 oder: mein Freund der Baum

Friedhöfe sind bei uns in Norddeutschland oft baumreiche Parklandschaften. Das war nicht immer so: erst seitdem die englische Garten- und Landschaftsarchitektur im 18. und 19. Jahrhundert fürstliche Parkanlagen beeinflusst(Muskauer Park, Wörlitzer Gartenreich), „schwappte“ diese Bewegung auch auf die Friedhofsgestaltung über.
Über allem stand 1825 die programmatische Schrift von  Johann Michael Voit (*1771 – t 1846): „Über….die Umwandlung der Gottesäcker in heitere Ruhegärten“. Seitdem ist „Friedhofsruhe“ ein doppelter Wert: Wir gönnen unseren Toten ewige Ruhe und genießen selbst bei Spaziergängen diese besondere Stille, Atmosphäre und Naturerfahrung, wie nur ein Friedhof sie bieten kann. Oft gibt es Areale, die fast wie ein kleiner Wald wirken und heutzutage für Urnenbestattungen unter einem Baum benutzt werden, weil das Bedürfnis der modernen Menschen nach einem „Waldbegräbnis“ sehr groß ist. Viele Menschen suchen sich schon zu Lebzeiten „ihren“ Baum aus.
Mit Bäumen kann man befreundet sein, davon wissen auch junge Leute, die sich nicht mehr an Alexandra und ihr Lied: „Mein Freund der Baum ist tot, er starb im frühen Morgenrot“ erinnern. Dieses Lied bringt beides zusammen: Trauer und die Liebe zu einem Baum.
So ist es vielleicht gar nicht verwunderlich, dass sich auf vielen Grabsteinen das Baummotiv zahlreich dargestellt findet!
Mancher Grabstein ist ganz und gar wie ein abgesägter Baum(stumpf) gestaltet!
Und überhaupt ist der „Baum“ eines der ältesten Bestattungssymbole und ein Baum ist im wahrsten Sinne des Wortes der Trauer gewidmet: die Trauerweide!
Das Kommen und Gehen von Menschen und Generationen, wie es ein Friedhof bezeugt, stellen wir privat auf dem Familienstammbaum dar!
Und in der Bibel wird gar der Mensch als solcher mit einem Baum verglichen: „Wohl dem,, der Lust hat am Gesetz Gottes und der seine Gebote hält, der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, dass er Frucht hervorbringe zu seiner Zeit. Seine Blätter verwelken nicht und was er macht, gerät wohl!“ heißt es im 1. Psalm
Vielleicht ist das die Mitte so mancher Baum-Freundschaft: unsere unbändige Lebenssehnsucht:
– so verwurzelt zu sein,
– so fest auf und in der Erde zu stehen,
– so bis in den Himmel zu reichen,
– so Frucht zu tragen im Leben,
– so zu wachsen und zu gedeihen,
– so sich auszubreiten in Freiheit

Oder, um es mit Nazim Hikmet zu sagen: „Leben wie ein Baum, einzeln und frei, und geschwisterlich wie ein Wald,
das ist unsere Sehnsucht.“

 

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