Bestattungen von Amts wegen III: Fremde Nähe

Dreimal im Jahr spaziere ich mit Gruppen hier entlang: von Findling zu Findling, kreuz und quer. Mal gehen wir auch ein paar Schritte zurück: vom Vater zum Bruder; vom Freund zur Mutter; von der Schwester zur Freundin; von der Tochter zum Ehemann; von der Ehefreu zum Sohn. Kreuz und quer -wie im Leben- ist hier durch die beschrifteten Findlinge das Netzwerk des Lebens aufgespannt. Über verschiedene Grabfelder hinweg ist dieser Weg zum Gedenken und Besinnen angelegt worden. Mit dem Namen: „Fremde Nähe“. Eine Tafel erklärt: „Der Gedenkweg verläuft entlang der Grabfelder für die Verstorbenen ohne Angehörige. Dort sind Gestorbene in Urnengräbern beigesetzt, für deren Bestattung anstelle von Angehörigen die Stadt und die Kirchen gesorgt haben. Ihre Gräber tragen keine Namen. Sie waren Väter und Söhne, Mütter und Töchter unserer Stadt. 10 Findlinge spannen das Beziehungsgeflecht auf, in dem wir alle leben, das aber nicht immer bis zum Lebensende trägt. In der Namenlosigkeit sind sie uns fremd, als Väter und Mütter werden sie uns nah.“

Fast könnte man die Rasenflächen für  anonyme Grabfelder halten, doch das sind sie nicht. Einzelne kleine Grabsteine, Blumen und andere Bepflanzungen zeugen davon: in der Verwaltung ist jede Urne namentlich erfasst und man kann rausfinden, wo der Freund oder die Schwester oder wer auch immer liegt. Es gibt genug „nicht-bestattungspflichtige“ Verwandschafts-und Freundschaftsverhältnisse, so dass immer wieder Menschen die Gräber aufsuchen, markieren, pflegen, trauern……

Dreimal im Jahr spaziere ich hier entlang und belebe nicht nur alte kirchliche Feiertage: Johannnistag (24.06), Michaelistag (29.09.) und Buß-und Bettag (wechselndes Datum im November), sondern eröffne den teilnehmenden Menschen einen Blick in die sich an dieser Stelle sehr positiv wandelnde Trauerkultur.
Denn irgendwann reichte der Gedenkweg mit den Findlingen nicht mehr und das Bedürfnis nach einer Gedenkkultur mit Namensnennung wurde laut. Hinz&Kunzt suchte sich am Rand dieses Gedenkweges einen Baum aus, an dem mit Namensplaketten Jahr für Jahr aller verstorbenen Hinz&Künztler  gedacht wird (siehe Trauerkultur mit Hinz&Kunzt I und II). Doch was ist mit den anderen Menschen? Hinz&Künztler machen nur einen Bruchteil der Bestattungen von Amts wegen aus (2018: 17 von ca. 1000). Auch andere Initiativen von wohnungslosen Menschen meldeten sich zu Wort. Nun ist sie vorbei die Zeit, dass die Wiesen der Bestattungen von Amts wegen wie ein anonymes Feld wirken: im Oktober 2015 wurde das erste Bestattungsfeld mit gestaltenen Gedenksteinen eröffnet, auf denen Platz ist für alle Namen mit Geburts- und Sterbedatum! Dieses erste Grabfeld ist schon eine Weile voll, z.Zt. (Anfang 2019) wird auf dem zweiten Grabfeld daneben bestattet und das dritte ist schon angelegt und wird sicherlich bald gebraucht, denn die Bestatungen von Amts wegen nehmen zu! Und die gartenarchitektonische Gestaltung dieser Grabfelder, inzwischen mit Stein-Stelen für all die vielen Namen, wird immer ansprechender. Es lohnt sich hier einmal entlang zu spazieren und diese Seite unseres modernen Großstadtleben, diese neue Form von Trauerkultur einmal wahrzunehmen!

 

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